27.10.2016 | Oxfam

Europäische Bioenergiepolitik auf Kollisionskurs

Cover
Cover
Neuer Oxfam-Bericht dokumentiert enormen Einfluss der machtvollen Biosprit-Industrie

Die Europäische Union muss ihre derzeitige Bioenergiepolitik beenden, da sie im Widerspruch zu den globalen Nachhaltigkeitszielen und dem Pariser Klimaabkommen steht: Sie führt zu einer Zunahme von Landkonflikten, Armut und Umweltschäden wie Beispiele aus Afrika, Asien und Lateinamerika zeigen. Der neue Oxfam-Bericht „Burning land, burning the climate“ zeigt außerdem, dass die Ausgaben der Biosprit-Hersteller für die Einflussnahme auf europäische Institutionen genauso hoch sind, wie die der Tabak-Lobby.

Am 7. Dezember diskutiert EU-Kommission die Überarbeitung ihrer Bioenergie-Politik. Der neue Oxfam Bericht „Burning the land, burning the climate“ zeigt, dass dies dringend nötig ist. “Die EU verfolgt eine falsche Strategie, die mit ihren entwicklungs- und klimapolitischen Zielen kollidiert. Die aktuelle Bioenergiepolitik der EU führt zu Vertreibung, Armut und Hunger“, kritisiert Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale.

Bis 2030 könnte die globale Biosprit-Industrie rund 600.000 Quadratkilometer für sich vereinnahmen – eine Fläche so groß wie Frankreich. Oxfams Bericht dokumentiert zahlreiche Fälle aus Tansania, Peru und Indonesien, bei denen Menschen von ihrem Land vertrieben und Waldgebiete abgeholzt werden, um Pflanzen für die Produktion von Biosprit anzubauen. So weist die indonesische NGO Sawit Watch allein im Jahr 2014 auf 731 Landkonflikte hin, die mit dem Palmölanbau zusammenhängen. Der europäische Palmölmarkt, Indonesiens zweitgrößter Exportmarkt für Palmöl, ist heute doppelt so groß wie 2003, dem Jahr der Einführung der europäischen Biosprit-Ziele. Auch klimapolitisch ist Biosprit ein Irrweg: Bei der Umwandlung des Landes zu Ackerflächen und deren agrarindustriellen Bewirtschaftung entstehen immense Mengen an Treibhausgasen.

Übermächtige Biosprit-Lobby blockiert Reformen

Hinter den Kulissen blockieren massive Lobby-Aktivitäten notwendige Reformen: In Brüssel arbeiten rund 400 Lobbyisten in der Biosprit-Industrie, von der Rohstoffproduktion bis hin zu Biosprit-Herstellern. Insgesamt haben diese im vergangenen Jahr rund 14 Millionen Euro ausgegeben, um ihre Geschäftsinteressen in Brüssel durchzusetzen. Ihre Ausgaben für die Einflussnahme auf europäische Institutionen sind damit genauso hoch, wie die der Tabaklobby. „Um den Hunger zu beenden und den Klimawandel zu begrenzen, muss sich die EU aus dem Zugriff der Biosprit-Industrie und ihrer Verbündeten befreien“, so Wiggerthale.

Der Bundesrat weist in Sachen Biosprit den Weg

Oxfam fordert seit Langem, die Förderung von Biosprit bis 2020 abzuschaffen. Mitte September 2016 hat sich endlich auch der Bundesrat dafür ausgesprochen, dass aus Nahrungsmittel­pflanzen hergestellte Biokraftstoffe nach 2020 nicht mehr öffentlich gefördert werden sollten. Um dies möglich zu machen, muss Deutschland nicht auf die bevorstehende europäische Reform der Bioenergie-Politik warten. Aktuell steht die Umsetzung der letzten Reform der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (2015/652) auf Bundesebene an, die ausreichend politischen Spielraum bietet, die öffentliche Förderung von Biokraftstoffen einzustellen. „Die Bundesregierung darf diese Chance nicht verstreichen lassen“, fordert Wiggerthale. „Zudem sollte sie sich bei den EU-Verhandlungen zur Bioenergiepolitik dafür einsetzen, dass die öffentliche Förderung schnellstmöglich auch auf europäischer Ebene eingestellt wird.“

Hintergrund:

  • Am 7. Dezember tagt die EU-Kommission, um eine neue Richtlinie zu Erneuerbaren Energien und Bioenergie-Politik zu diskutieren.
  • Biokraftstoffe und andere Formen von Bioenergie machen über 60 Prozent der Energie aus, die die EU als erneuerbar bezeichnet und als Mittel gegen den Klimawandel einstuft.
  • Der Anstieg des Verbrauchs von nicht-nachhaltiger Bioenergie ist vor allem folgende Richtlinien zurückzuführen: die EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED), die Kraftstoffqualitätsrichtlinie (Fuel Quality Directive (FQD) oder der EU Emissionshandel (ETS)