Zwischen fundamentalen Prinzipien und technischen Details

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Einblicke in die zweiten und dritten UN-Konsultationen zum UN-Treaty für Wirtschaft und Menschenrechte
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UN Treaty Blog
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Im Juni 2025 fanden die zweiten und dritten thematischen Konsultationen im Rahmen des UN-Prozesses zur Erarbeitung eines internationalen Menschenrechtsabkommens zur Regulierung transnationaler Unternehmen und ihrer Wertschöpfungsketten – dem sogenannten „UN-Treaty“ – statt. Dabei wurde deutlich: Die Diskussionen sind nicht nur zunehmend technischer Natur – sie berühren auch Grundfragen internationaler Gerechtigkeit, nationaler Souveränität und der Wirksamkeit bestehender Menschenrechtsmechanismen.

Struktur und Ablauf der Sitzungen

Im Fokus standen diesmal die Artikel 6 (Prävention), 8 (Haftung) sowie die Artikel 9 bis 11 (Zuständigkeit, Verjährung, anwendbares Recht). Wie bereits bei der ersten Konsultation im April, wurden die einzelnen Unterartikel in kleinen Paketen besprochen, jeweils mit einer Einführung durch den Vorsitzenden und einem Input der Rechtsexpert*innen. Dieser Input orientierte sich eng am jeweiligen Non-Paper zu diesen Artikeln.

Nach der fachlichen Einführung folgten Wortmeldungen der Staaten, die entweder Stellung zu konkreten Artikeln nahmen oder gezielte Fragen an die Expert*innen richteten. Anschließend kamen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sowie der Wirtschaft zu Wort. Auch in dieser Runde war das zivilgesellschaftliche Spektrum sehr breit vertreten – von internationalen NGOs bis zu Vertreter*innen der betroffenen Gemeinschaften. Die Wirtschaftsseite wurde durch IOE und USCIB repräsentiert.

Da viele Staaten aufgrund terminlicher Überschneidungen nicht teilnehmen konnten, verliefen die Verhandlungen vergleichsweise zügig. Trotzdem boten sie Raum für substantielle Diskussionen – sowohl zu Grundsatzfragen als auch zu Details der juristischen Ausgestaltung.

Artikel 6 – Prävention und Sorgfaltspflichten klar und verbindlich regeln

Ein zentraler Streitpunkt in den Diskussionen um Artikel 6 war die Verbindlichkeit staatlicher Pflichten. Die USA schlugen mehrfach vor, Begriffe wie „shall“ durch abgeschwächte Formulierungen wie „should take steps to“ zu ersetzen – insbesondere in Artikel 6.1. Die Expert*innen machten in ihrem Beitrag und dem Non-Paper jedoch deutlich, dass Staaten bereits völkerrechtlich verpflichtet sind, Menschenrechtsverletzungen in ihrem Einflussbereich zu verhindern und zu sanktionieren. Daher wäre eine Abschwächung der Formulierung nicht zielführend. Die EU unterstützte diese Position in ihrem Statement ausdrücklich.

Auch der Versuch einiger Staaten (z. B. Marokko, Panama), die Umsetzung staatlicher Maßnahmen als „progressive“ zu deklarieren, wurde sowohl von den Expert*innen als auch der Zivilgesellschaft kritisch gesehen. Eine solche Formulierung könne zu Auslegungsspielräumen führen, die letztlich die Wirksamkeit des Abkommens untergraben würden. Das Non-Paper warnt hier vor „ambiguity and confusion“. Auch der US-amerikanische Vorschlag in 6.2 (b) „ensure“ durch „enhance“ zu ersetzen wurde insbesondere von der Zivilgesellschaft als Rückschritt deutlich zurückgewiesen. 

Besonders wichtig war zudem die Debatte um sogenannte Human Rights Impact Assessments (HRIAs) in Art. 6.4(a). Staaten wie Panama, Mexiko, Honduras und Kolumbien forderten, diese Analysen auch auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte auszudehnen. Das Non-Paper erkennt das zunehmende Gewicht umweltbezogener Rechte im Menschenrechtsdiskurs an. Die Zivilgesellschaft unterstützte die explizite Aufnahme solcher Rechte als weiteres Signal an Staaten und Unternehmen, dass das Recht auf eine saubere Umwelt zu den international anerkannten Menschenrechten zählt.

Art. 6.5 behandelte die Reichweite der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten (HRDD). Während der Text HRDD nur bei direkten Kontroll- oder Managementbeziehungen vorsieht, plädierten u. a. Brasilien, Panama und Mexiko für eine Ausweitung auf die gesamte Wertschöpfungskette. Die Zivilgesellschaft forderte dies mit Nachdruck – dies ist auch im Einklang mit den im Non-Paper häufig zitierten UN-Leitprinzipien (UNGPs).

Artikel 6 – Prävention und Sorgfaltspflichten klar und verbindlich regeln

Ein zentraler Streitpunkt in den Diskussionen um Artikel 6 war die Verbindlichkeit staatlicher Pflichten. Die USA schlugen mehrfach vor, Begriffe wie „shall“ durch abgeschwächte Formulierungen wie „should take steps to“ zu ersetzen – insbesondere in Artikel 6.1. Die Expert*innen machten in ihrem Beitrag und dem Non-Paper jedoch deutlich, dass Staaten bereits völkerrechtlich verpflichtet sind, Menschenrechtsverletzungen in ihrem Einflussbereich zu verhindern und zu sanktionieren. Daher wäre eine Abschwächung der Formulierung nicht zielführend. Die EU unterstützte diese Position in ihrem Statement ausdrücklich.

Auch der Versuch einiger Staaten (z. B. Marokko, Panama), die Umsetzung staatlicher Maßnahmen als „progressive“ zu deklarieren, wurde sowohl von den Expert*innen als auch der Zivilgesellschaft kritisch gesehen. Eine solche Formulierung könne zu Auslegungsspielräumen führen, die letztlich die Wirksamkeit des Abkommens untergraben würden. Das Non-Paper warnt hier vor „ambiguity and confusion“. Auch der US-amerikanische Vorschlag in 6.2 (b) „ensure“ durch „enhance“ zu ersetzen wurde insbesondere von der Zivilgesellschaft als Rückschritt deutlich zurückgewiesen. 

Besonders wichtig war zudem die Debatte um sogenannte Human Rights Impact Assessments (HRIAs) in Art. 6.4(a). Staaten wie Panama, Mexiko, Honduras und Kolumbien forderten, diese Analysen auch auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte auszudehnen. Das Non-Paper erkennt das zunehmende Gewicht umweltbezogener Rechte im Menschenrechtsdiskurs an. Die Zivilgesellschaft unterstützte die explizite Aufnahme solcher Rechte als weiteres Signal an Staaten und Unternehmen, dass das Recht auf eine saubere Umwelt zu den international anerkannten Menschenrechten zählt.

Art. 6.5 behandelte die Reichweite der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten (HRDD). Während der Text HRDD nur bei direkten Kontroll- oder Managementbeziehungen vorsieht, plädierten u. a. Brasilien, Panama und Mexiko für eine Ausweitung auf die gesamte Wertschöpfungskette. Die Zivilgesellschaft forderte dies mit Nachdruck – dies ist auch im Einklang mit den im Non-Paper häufig zitierten UN-Leitprinzipien (UNGPs).

Artikel 8 – Haftung konsequent und umfassend gestalten

Die Debatte um Artikel 8 offenbarte die Komplexität internationaler Haftungsregelungen. Im Zentrum stand die Frage, wie zivil-, strafrechtliche und administrative Haftung in unterschiedlichen Rechtssystemen wirksam verankert werden können – ohne dabei neue Schutzlücken entstehen zu lassen.

Die EU sprach sich für nationale Flexibilität bei der Auswahl der Haftungsart aus, betonte jedoch zugleich die Notwendigkeit effektiver Sanktionen. Eine klare Ablehnung fand der US-Vorschlag, wonach neue Haftungsregeln nur gelten sollten, wenn sie mit nationalem Recht vereinbar seien. Dies hätte den Mehrwert eines internationalen Vertrags unterlaufen. Auch Uruguay, Panama und zahlreiche NGOs wandten sich gegen diese Einschränkung.

Ein weiterer Fokus lag auf der Ausgestaltung der Haftungsregelungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – also der Frage, inwieweit Mutterkonzerne für Verstöße ihrer Tochtergesellschaften oder Geschäftspartner haftbar gemacht werden können. Artikel 8.5 stärkt dabei die Möglichkeit der Beweislastumkehr, die insbesondere für Betroffene mit wenig Ressourcen essenziell ist.

Artikel 8.6 quinquies – eingebracht von Palästina, Ghana und Südafrika – stellte klar: Die bloße Einhaltung von HRDD-Pflichten befreit nicht automatisch von Haftung, wenn dennoch Schäden entstehen. Diese Regelung steht im Einklang mit UNGP 17 und war noch Teil des dritten Entwurfs von 2021. Nur durch diesen Zusatz kann verhindert werden, dass Sorgfaltspflichten zu einer rein bürokratischen Abarbeitung von Listen und Berichten verkommen.

Artikel 9 bis 11 – Zuständigkeit, Verjährung und anwendbares Recht

Mit Artikel 9 begann eine besonders technisch geprägte Phase der Konsultationen. Die Frage, welche Gerichte für grenzüberschreitende Menschenrechtsverletzungen zuständig sind, ist von zentraler Bedeutung – aber auch juristisch anspruchsvoll. Im Fokus stand die Einschränkung der forum non conveniens-Doktrin. Diese erlaubt es Gerichten, Verfahren mit Verweis auf ein "besser geeignetes" Forum abzuweisen – was häufig zu Verzögerungen oder dem völligen Scheitern von Prozessen führt. Mit diversen Textvorschlägen versuchten Staaten die Anwendung dieses Prinzip zu beschränken oder abzuschaffen. Die Zivilgesellschaft unterstützt dieses Vorhaben; es bleibt abzuwarten, ob und welche Formulierung in einem neuen Textvorschlag eingebaut wird. 

Palästina schlug in Art. 9.4 ter zusätzlich vor, eine Bestimmung zum forum necessitatis einzuführen. Dieses würde Kläger*innen ermöglichen, ihre Rechte an anderen Orten einzuklagen, obwohl die angeklagte Institution dort keinen Sitz hat, wenn dort kein faires Verfahren garantiert werden kann. Der Arbeitgebervertreter der IOE warnte vor forum shopping – einer gezielten Auswahl günstiger Gerichtsorte. Die Zivilgesellschaft konterte: Tatsächlich sei dies ein Privileg finanzstarker Unternehmen, nicht von Betroffenen. In der Realität sind Betroffene und Kläger*innen meist froh, überhaupt Gehör vor einem Gericht zu finden. 

Artikel 10 befasst sich mit Verjährungsfristen. Einigkeit bestand darin, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen – wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit – nicht verjähren dürfen. Umstritten war jedoch die genaue Formulierung. Während der aktuelle Text auf „crimes of concern to the international community as a whole“ verweist, schlagen Südafrika und Panama alternativ die Formulierung „crimes under international law“ vor. Beide Formulierungen sind im internationalen Rechtssystem bekannt, haben aber unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Daher plädieren die Rechtsexpert*innen für eine Klärung der Begrifflichkeiten und deren möglichen Konsequenzen für die Anwendung. Eine geschlossene Auflistung der für den Artikel relevanten Verbrechen könnte Klarheit schaffen. Ansonsten ermutigten sie die Staaten eine "constructive ambiguity" zuzulassen.

Artikel 11 befasst sich mit Fragen, die im Vertrag selbst nicht abschließend geregelt sind, insbesondere mit dem anzuwendenden Recht in grenzüberschreitenden Verfahren. In Artikel 11.1 wird festgelegt, dass alle verfahrensrechtlichen Aspekte durch das nationale Recht des jeweils angerufenen Gerichts geregelt werden. 

Artikel 11.2 ermöglicht es Betroffenen, bei materiellrechtlichen Fragen, die im Vertrag nicht ausdrücklich geregelt sind, das Recht eines anderen Staates anzuwenden – entweder dort, wo die schädliche Handlung (oder Unterlassung) stattgefunden hat bzw. Auswirkungen hatte, oder wo die verantwortliche Person ihren Sitz hat. Während einige Staaten vorschlugen den Artikel zu streichen, betonten die Rechtsexpert*innen, aber auch Frankreich und der Iran den Zusatznutzen von Artikel 11.2. Er erleichtert Betroffenen den Zugang zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Eine Streichung würde daher den Mehrwert des Abkommens schmälern. Gleichzeitig betonte der Iran die Notwendigkeit klarer Formulierungen sowie der Wahrung nationalstaatlicher Unabhängigkeit. Das South Centre unterstrich in seinem Statement, dass Artikel 11 zu einer Angleichung internationaler Standards beiträgt und insgesamt die rechtliche Position von Kläger*innen stärkt.

Die Expert*innen betonten zudem, dass die Anwendung ausländischen Rechts vor nationalen Gerichten gängige Praxis sei und kein Eingriff in die staatliche Souveränität darstelle. So seien 91 Staaten auch Mitglieder der Haager Konferenz. Außerdem wurde insgesamt darauf hingewiesen, dass sich Kläger*innen und Beklagte durchaus auf ein Gericht verständigen können – und, dass die Gerichte in dem Land, in dem der Schaden verursacht wurde, nicht automatisch das „schlechtere“ Forum sein müsse. Länder wie Brasilien oder Kolumbien etwa verfügen über sehr gut entwickelte Umwelt- und Menschenrechtsstandards.

Fazit und Ausblick

Alle Artikel von 6 bis 11 konnten wie geplant während der Konsultationen behandelt werden. Die ursprünglich für Ende August 2025 angesetzte weitere Konsultation wurde gestrichen – zugunsten einer konzentrierten Vorbereitung der 11. Sitzung im Oktober. Die eingesparten Mittel sollen insbesondere die Logistik und Übersetzungen für die kommende Verhandlungsrunde absichern.

Mitte September wird der Vorsitzende (Chair) einen Bericht vorlegen, der sowohl technische Einschätzungen als auch politische Kompromissvorschläge zu den Artikeln 4 bis 11 enthalten wird. Staaten, die bisher nicht an den Konsultationen teilnehmen konnten, haben bis Ende Juni die Möglichkeit, schriftliche Beiträge einzureichen. Diese fließen in den Bericht mit ein.

Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen haben wiederholt betont, dass die UN-Leitprinzipien allein nicht ausreichen, um wirksamen Schutz für Betroffene sicherzustellen. Die Expert*innen bestätigten diese Einschätzung nun: Die UNGPs seien das Fundament – nicht aber die Decke der Ambitionen. Der UN-Treaty bietet die Möglichkeit, über bestehende Standards hinauszugehen und neue rechtliche Klarheit zu schaffen. 

Mit dem für Herbst erwarteten Bericht des Chairs und der geplanten 11. Session rückt der nächste Meilenstein näher. Entscheidend wird sein, dass alle Stakeholder ausreichend Zeit erhalten, um die Vorschläge zu analysieren, zu kommentieren und sich positionieren zu können. 

Die 11. Session im Oktober wird in zwei Abschnitte gegliedert: An den ersten beiden Tagen wird der Chair-Bericht diskutiert. In den verbleibenden drei Tagen sollen die Artikel 12 bis 24 behandelt werden.

Für 2026 sind weitere Konsultationen zu diesen verbleibenden Artikeln geplant – erneut im Format von Non-Papers, Stellungnahmen und Auswertungsberichten. Die Rechtsexpert*innen werden dabei weiterhin eingebunden bleiben.

Gemäß der Resolution 56/116 werden die zusätzlichen Mittel und Maßnahmen bis 2027 (drei Jahre) abgeschlossen sein. Ob zu diesem Zeitpunkt ein finaler Vertragstext oder lediglich ein überarbeiteter Entwurf vorliegt, bleibt offen. Klar ist: Die Präambel und die Artikel 1 bis 3 sollen erst ganz am Ende verhandelt werden, wenn über den Rest des Textes weitgehend Einigkeit herrscht.

 

Weitere Informationen: 

Das Non-paper des Vorsitzenden zu Artikel 6 und 8 kann hier, das Non-paper zu Artikel 9 bis 11 hier abgerufen werden.

Zum Verlauf der 10. Verhandlungsrunde gibt es hier den Bericht des Vorsitzenden und hier den Bericht des Global Policy Forums 

Der aktuelle Vertragstext, mit den Vorschlägen der Staaten während der neunten und zehnten Verhandlungsrunden, kann hier abgerufen werden. 

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