30.03.2017 | Blog Steuergerechtigkeit

Neue Studie: Einige deutsche Unternehmen zahlen kaum Steuern in Osteuropa

Blog Logo
Blog Logo

Die Umsetzung der 2030-Agenda wird u.a. zentral von der Mobilisierung heimischer Ressourcen - sprich von der effektiven und effizienten Erhebung von Steuern, Gebühren und Abgaben - abhängen. Das ist wenigstens die Botschaft der Aktionsagenda von Addis-Abeba, die als Umsetzungsstrategie für die 2030-Agenda angesehen wird. Vor diesem Hintergrund spielt auch die Frage eine Rolle, wo und in welchem Umfang deutsche Unternehmen Steuern bezahlen. Ein Blog-Beitrag von Markus Henn stellt interessante Hintergründe dazu vor.


Die tschechische Organisation Glopolis veröffentlichte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen die Studie "Runaway Taxes - Who pays tax in Central and Easterns Europe?". Darin werden die zehn umsatzstärksten Firmen in sechs osteuropäischen Ländern im Hinblick auf ihre Steuerzahlungen untersucht. Bei der Analyse der Unternehmen traten deutliche Unterschiede in der Höhe der Steuern auf Gewinne zutage. Dies wird von vielen Ländern mit Steuervergünstigungen erklärt, die es ermöglichen, die Steuerschuld deutlich zu senken. Außerdem wird klar, dass niedrige Steuersätze Steuervermeidung oder Gewinnverschiebung nicht stoppen.

Einige allgemeine Ergebnisse:

  • Im Gegensatz zu der Theorie, die von einigen Ökonomen vertreten wird, erhöhen niedrige oder Pauschalsteuern ("flat tax") die Körperschaftssteuereinnahmen nicht. Stattdessen verlagern Steuersenkungen für Unternehmen und vermögende Privatpersonen die Steuerbelastung auf normale Bürger. Darüber hinaus fördert die Pauschalsteuer Einkommensungleichheit.
  • Die Unternehmen sind in der Lage, unterschiedliche Steuerregelungen in verschiedenen Ländern zu nutzen, um insgesamt weniger Steuern zu zahlen.
  • Die Top-Ten-Unternehmen erhielten im Jahr 2015 in Bulgarien eine Netto-Steuergutschrift: Sie bekamen also mehr Steuern zurückerstattet, als sie bezahlten.

Auch einige deutsche Firmen mit ihren Tochtergesellschaften fanden Eingang in die Studie:

  • In Tschechien wurde Lidl als eine Sonderform von Gesellschaft, eine "allgemeinen Handelspartnerschaft", gegründet. Als Handelspartnerschaft zahlt das Unternehmen somit keine Steuern, sondern die Partner haften für Steuerzahlungen. Damit schaffte es Lidl 2014 auf einen Steuersatz von null Prozent mit einem Gewinn von ca. 95 Mio. €. Es ist allerdings nicht klar, wie der Gewinn zwischen den Partnern aufgeteilt wurde. Auf Anfrage gab Lidl an, einer der Partner zahle die tschechische Körperschaftssteuer.
  • Audi, Mercedes und Robert Bosch fallen mit niedrigen Steuersätzen in Ungarn auf. Audi zahlte null Prozent, Mercedes 1,63 Prozent und Bosch 3,69 Prozent - wenig im Vergleich zu dem normalen Steuersatz von 19 Prozent. Eine Erklärung dafür wäre Gewinnverscheibung: So sind alle untersuchten produzierenden Fimen in Ungarn weniger profitabel als im Weltdurchschnitt.

Um mehr Transparenz zu schaffen, muss laut der Studie die öffentliche länderbezogene Berichterstattung von Unternehmen unterstüzt werden. Die EU-Staaten müssen enger zusammenarbeiten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, und ein gemeinsames Regelwerk für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage schaffen, um ein "race to the bottom" im Steuerwettbewerb zu verhindern. Ein wichtiger Schritt wäre der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage.

Von Markus Henn (WEED) am 30. März 2017 im Blog Steuergerechtigkeit eingestellt.