Wirtschaftslobby will Lieferkettengesetz im Bundestag stoppen

Press Statement

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PM Lieferkettengesetz
PM Lieferkettengesetz

(Aachen/ Bonn/ Berlin, 22.4.2021). Anlässlich der heutigen ersten Lesung im Bundestag fordern MISEREOR, Global Policy Forum und Brot für die Welt die Bundestagsabgeordneten auf, sich für ein ambitioniertes Lieferkettengesetz auszusprechen. In einem gemeinsamen Briefing beleuchten sie das Vorhaben von Lobbyverbänden und dem Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion im Bundestag, eine Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern. Der Wirtschaftsrat der CDU hatte das Lieferkettengesetz zuvor als „linksideologisches Thema“ bezeichnet und die Abgeordneten der Union aufgerufen, es im Bundestag zu „stoppen“. Wirtschaftsminister Altmaier bezeichnete den Regierungsentwurf an demselben Tag als „vernünftigen Kompromiss“, durch den „die berechtigten Interessen der Wirtschaft nicht geschmälert und beeinträchtigt“ würden.

„Menschenrechte sind das Fundament jeder demokratischen Gesellschaft und müssen auch für Unternehmen gelten“, erklärt Armin Paasch, Menschenrechtsexperte bei MISEREOR und Mitautor des Briefings. „Mit seinen Forderungen will der Wirtschaftsflügel der Union das Lieferkettengesetz völlig aushöhlen und einen besseren Menschenrechtsschutz verhindern.“ Die AG Wirtschaft und Energie und der Parlamentskreis Mittelstand der Unionsfraktion hatten den Regierungsentwurf in einem gemeinsamen Beschluss als „nicht zustimmungsfähig“ bezeichnet. Unter anderem forderten sie die Begrenzung von Sorgfaltspflichten auf direkte Zulieferer, einen Haftungsausschluss für Unternehmen sowie eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit über 5.000 bis 10.000 Mitarbeitenden.

Fast zeitgleich wandten sich 28 Wirtschaftsverbände mit ähnlichen Forderungen an alle Bundestagsabgeordneten. „Die Gleichzeitigkeit und inhaltliche Deckungsgleichheit der Forderungspapiere deuten auf ein abgestimmtes Vorgehen der Wirtschaftslobby und des Wirtschaftsflügels der Union hin“, kommentiert Karolin Seitz, Leiterin des Bereichs Wirtschaft und Menschenrechte beim Global Policy Forum und Mitautorin des Briefings. „Dafür sprechen auch die personellen Überschneidungen zwischen dem Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion einerseits und den Wirtschaftsverbänden sowie dem CDU-Wirtschaftsrat andererseits.“ Der Wirtschaftsrat ist kein Parteigremium der Union, sondern ein eingetragener Verein von Wirtschaftsvertreter*innen mit besten Verbindungen zur Parteispitze. Er hatte bereits in seiner Jahresbilanz 2020 die Verhinderung des Lieferkettengesetzes als politischen Erfolg verbucht.

 

Regierungsentwurf bleibt hinter den Plänen von BMA und BMZ zurück

„Der Regierungsentwurf wurde bereits im Vorfeld massiv verwässert und bleibt deutlich hinter den ursprünglichen Plänen der Bundesminister Heil und Müller sowie den UN-Leitprinzipien zurück. Wir fordern daher klare Nachbesserungen“, erklärt Maren Leifker, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Brot für die Welt. „Unternehmen müssen verpflichtet werden, menschenrechtliche Risiken präventiv auch bei mittelbaren Zulieferern zu untersuchen, und nicht erst, wenn ihnen bereits ‚substantiierte Kenntnisse‘ über mögliche Verletzungen vorliegen.“ Zum besseren Rechtsschutz für Geschädigte bedürfe es außerdem einer expliziten zivilrechtlichen Haftungsregel.

Wie das Briefing dokumentiert, hatte Wirtschaftsminister Altmaier in den zwei Monaten vor der Einigung dreimal mit den Spitzen der Wirtschaftsverbände über das Lieferkettengesetz telefoniert. Auch Kanzlerin Merkel tauschte sich im Januar zweimal persönlich mit den Spitzen der Wirtschaftsverbände aus. Gesprächsanfragen von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften an Kanzlerin Merkel in der entscheidenden Phase wurden hingegen abgelehnt oder an die Arbeitsebene delegiert.

 

Kontakt:

 

MISEREOR

Barbara Wiegard

030 443 5198 8 / 0171 335 8887

Barbara.Wiegard(at)misereor.de

 

Global Policy Forum

Karolin Seitz

0175 8662608

karolinseitz(at)globalpolicy.org

 

Weitere Informationen:

Zum Download des Briefings „Lieferkettengesetz: Aufstand der Lobbyisten“