Verhinderung zukünftiger Pandemien – Ist ein neuer Fonds die Lösung?

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Global Health
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Vom 29. bis 30. Oktober 2021 treffen sich die Finanz- und Gesundheitsminister*innen der G20-Staaten. Sie werden unter anderem darüber sprechen, wie künftige Pandemien gemeinsam verhindert und bekämpft werden können, und wie die Maßnahmen finanziert werden sollen.

Das Anfang 2021 eingerichtete G20 High Level Independent Panel on Financing the Global Commons for Pandemic Preparedness and Response, bestehend aus Wirtschaftswissenschaftler*innen, ehemaliger Finanzpolitiker*innen und Stiftungsvertreter*innen, hat hierfür die Schaffung eines neuen Fonds für globale Gesundheitsbedrohungen (Global Health Threats Fund) vorgeschlagen.[1] Neben dem Vorschlag des Panels werden international bereits eine ganze Reihe weitere institutionelle Vorschläge diskutiert.

Bereits im März 2021 hatte der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des amerikanischen Repräsentantenhauses einen Vorschlag für die Einrichtung eines multilateralen Fonds zur Gesundheitssicherheit und zur Pandemievorsorge gemacht.[2] Die Biden-Administration sieht in ihrem Haushalt für 2022 250 Millionen US-Dollar als Anschubfinanzierung für den neuen Finanzierungsmechanismus vor.[3]

Im Mai 2021 hatte auch das Independent Panel for Pandemic Preparedness and Response (IPPPR) der WHO, die Einrichtung eines Global Health Threats Council empfohlen, der wiederum eine neue International Pandemic Financing Facility (IPFF) beaufsichtigen soll.[4]

Auf den IPPPR-Bericht folgte Mitte Juni 2021 der Vorschlag der von Großbritannien geleiteten Pandemic Preparedness Partnership (PPP) für den G7-Gipfel.[5] Die Gruppe, bestehend aus Vertreter*innen von WHO, GAVI, COVAX, CEPI, Stiftungen, Wissenschaft und Pharmakonzernen forderte ebenfalls die Schaffung einer neuen PPR-Finanzierungsfazilität.

Entstanden sind die Vorschläge für eine Neuaufstellung der internationalen Krisenreaktion infolge der gescheiterten Antworten der Weltgemeinschaft auf die COVID-19-Pandemie. Die bestehenden Finanzmechanismen zur Pandemiebekämpfung erwiesen sich im Falle des Notfallfonds der WHO als viel zu klein und im Falle der Pandemic Emergency Financing Facility (PEF) der Weltbank als viel zu langsam, schlecht designed und ebenfalls viel zu klein[6] um gegen die Pandemie wirksam vorzugehen. Nationale Alleingänge sowie eine mangelnde Bereitschaft der Länder, koordiniert und gemeinsam in der Pandemiebekämpfung vorzugehen, taten ihr Übriges.

Gemeinsam ist den Vorschlägen, dass der Fonds um einiges größer und schneller reaktionsfähig angelegt sein soll, als die bestehenden Fazilitäten. Es ist von 5 bis 15 Milliarden US-Dollar jährlich die Rede.

Die Vorschläge unterscheiden sich dahingehend, welche Maßnahmen tatsächlich finanziert werden sollen, welche Finanzierungsinstrumente vorgesehen sind, wo ein künftiger Fonds angesiedelt sein und wie er verwaltet werden soll.

Einige grundsätzliche Fragen

Auf den ersten Blick mag die Schaffung eines neuen Fonds attraktiv erscheinen, um Aufmerksamkeit und neue Mittel für die Finanzierung von Prävention, Vorsorge und Reaktion auf künftige Pandemien zu mobilisieren.

Auf den zweiten Blick stellen sich allerdings einige grundsätzliche Fragen.

Wird überhaupt ein neues Finanzierungsinstrument benötigt?

Die Kritik an der fragmentierten Landschaft der zahlreichen vertikalen Gesundheitsinitiativen mit ihren eigenen Finanzierungsinstrumenten, angefangen von der globalen Impfallianz GAVI, dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) und der globalen Impfstoff-Initiative CEPI bis hin zum eigenen Notfallfonds zur Pandemiebekämpfung der WHO (CFE) ist nicht neu. Nicht nur die Initiativen selbst stehen zueinander in Konkurrenz um öffentliche und private Mittel und personellen Kapazitäten. Auch die multilateralen Organisationen wie die WHO befinden sich im Wettbewerb mit ihnen. So steckt die WHO seit Jahren in einer prekären Finanzierungslage. Anfang 2020 schätzte die WHO ihren Bedarf für die COVID-19 Bekämpfung auf 1,7 Milliarden US-Dollar (2021 aufgestockt auf 1,96 Mrd. US-Dollar). Doch mit Stand von September 2021 bleibt der CFE mit den eingeworbenen 1 Mrd. US-Dollar deutlich unterfinanziert.[7] 

Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine neue Finanzierungsfazilität zur Prävention? Die Länder des Globalen Nordens bekommen die Pandemie in ihren Ländern zunehmend in den Griff. Aber in vielen Ländern des Globalen Südens wütet COVID-19 noch immer. Weiterhin sterben täglich rund 7.000 Menschen an COVID-19;[8] in den einkommensschwachen Ländern haben bislang nur 3 Prozent der Bevölkerung eine erste Impfdosis erhalten (Stand 24.10.2021);[9] auch die Gefahr neuer besorgniserregender Virusvarianten ist noch nicht gebannt. Solange COVID-19 noch in vollem Gange ist, sollten nicht alle Mittel eher in deren Bekämpfung gesteckt werden, bevor sie in Fonds zur Bekämpfung zukünftiger Pandemien gebunden werden? Wie oben erwähnt, ist der Bedarf der WHO zur Reaktion auf die aktuelle Pandemie bislang nur zu 56,6 Prozent gedeckt.

Sollten Governance-Fragen nicht vor der Finanzierungsfrage geklärt werden?

Für den 29. November bis 1. Dezember 2021 ist eine Sondersitzung der Weltgesundheitsversammlung anberaumt um über einen neuen globalen Pandemievertrag, den sogenannten Pandemic Treaty zu entscheiden. Der von der EU angestoßene und von der WHO und 25 Staaten unterstützte Vorschlag beinhaltet Vereinbarungen zur besseren internationalen Koordinierung von Prävention, Vorsorge und Reaktion im Falle einer Pandemie. Staaten sollen zum Austausch von Informationen zu Krankheitserregern und Technologien verpflichtet werden. Hintergrund der Initiative ist die späte Information Chinas über den Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV-2, das die Erkrankung COVID-19 hervorrufen kann, sowie die mangelnde Kooperation bei der Aufklärung zum Ursprung des Virus. Der Vorschlag ist umstritten und findet unter den Ländern des Globalen Südens wie auch China und Russland bislang keine Zustimmung.[10] Schließlich besteht bereits ein völkerrechtliches Instrument, das der WHO als Rahmen für die Koordinierung von Gesundheitsnotfällen dient und die entsprechenden Verpflichtungen der Länder festschreibt: Die 1969 verabschiedeten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), die im Jahr 2005, nach dem Ausbruch von SARS-CoV-1 (2002-2003), dahingehend erweitert wurden, die internationale Ausbreitung von Krankheiten vorzubeugen, zu bekämpfen, zu kontrollieren und eine Reaktion des öffentlichen Gesundheitswesens darauf zu ermöglichen. Was also fehlt, ist vor allem die Bereitschaft der Länder, sich an die bestehenden Vorschriften zu halten und der WHO das entsprechende Budget zu verschaffen, damit diese ihre Aufgaben wahrnehmen kann.

Im September warnte die Weltbank in ihrem Bericht „From Double Shock to Double Recovery: Widening Rifts” davor, dass voraussichtlich 52 Länder, darunter vor allem Niedrigeinkommensländer ihre Staatsausgaben unter das Niveau von vor der COVID-Krise senken und davon insbesondere die staatlichen Gesundheitsausgaben betroffen sein werden. Der prognostizierte Rückgang der staatlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit wird voraussichtlich mit niedrigeren Ausgaben der privaten Haushalte für Gesundheit und einem befürchteten möglichen Rückgang der Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) für Gesundheit einhergehen.

In früheren Krisen haben Konditionen, die an Kredite des Internationalen Währungsfonds verknüpft waren, dazu geführt, dass Staatsausgaben allgemein und Gesundheitsausgaben im Besonderen gesenkt werden mussten. Das hat die schwächsten Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark getroffen. So wurden in der Vergangenheit beispielsweise die Mittel für die medizinische Grundversorgung gekürzt oder die Ansprüche gefährdeter Bevölkerungsgruppen beschnitten. Meist jedoch fuhren die Länder Mittel für das öffentliche Gesundheitswesen zurück und trugen so zur Schwächung des öffentlichen Gesundheitssektors bei, was auch die Reaktion auf die derzeitige Pandemie behindert hat.

Schätzungen zufolge werden die künftig verfügbaren Mittel in vielen Ländern weit hinter dem Ausgabenbedarf für die Beendigung der Pandemie, die Prävention künftiger Pandemien und die Bereitstellung von grundlegenden Gesundheitsdiensten für die Bevölkerung liegen. Ohne eine Erhöhung der staatlichen Gesundheitsausgaben werden die Mittel in den Jahren 2021 und 2022 im Durchschnitt nur 28,4 Prozent des Kostenanteils der einkommensschwächsten Länder an der Einführung des COVID-19-Impfstoffs abdecken, so die Schätzungen der Weltbank. In diesen Ländern müssten die staatlichen Mittel für Gesundheit um das Doppelte erhöht werden, um den zukünftigen Bedarf zu decken.

Anstatt einen weiteren multilateralen Fonds zu schaffen, wäre daher ein sinnvoller und völlig anderer Ansatz, den finanziellen Spielraum der öffentlichen Haushalte im Globalen Süden für nationale Gesundheitsausgaben, inklusive der Finanzierung der Pandemieprävention, Vorsorge und Reaktion zu vergrößern. Dies kann durch eine wirksame Entschuldung, die Bekämpfung von Steuerflucht und deren Vermeidung, eine progressive Besteuerung von Vermögen, Einkommen und Unternehmen, sowie durch Umschichtung von sozial- und ökologisch nicht-nachhaltigen Subventionen zugunsten von höheren Gesundheitsbudgets und einer Besteuerung gesundheitsschädlicher Produkte erfolgen. Zudem sollten einkommensstarke Länder ihre Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit erhöhen und einen großen Anteil für die Finanzierung globaler Gesundheitsherausforderungen widmen. Um eine globale Koordination, Prävention und Reaktion zu gewährleisten sollte die WHO inklusive der CFE finanziell gestärkt werden.

 

[1] https://pandemic-financing.org/report/foreword/

[2] https://www.devex.com/news/opinion-global-health-security-must-be-tied-to-health-systems-99937 und https://www.congress.gov/bill/117th-congress/house-bill/391/text?r=6&s=1

[3] https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/05/FY-2022-State_USAID-Congressional-Budget-Justifica…

[4] https://theindependentpanel.org/mainreport/

[5] https://www.gov.uk/government/publications/100-days-mission-to-respond-to-future-pandemic-threats

[6] https://www.reuters.com/article/us-health-ebola-worldbank-idUSKCN1UR5HD

[7] https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/donors-and-partners/funding

[8] https://covid19.who.int/ und https://www.arcgis.com/apps/dashboards/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

[9] https://ourworldindata.org/covid-vaccinations

[10] https://www.2030spotlight.org/en/book/2495/chapter/special-contribution-13-who-pandemic-treaty-prop…