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Nicht ob, sondern wann – Ein Kommentar zur 8. Verhandlungsrunde über das UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („UN Treaty“)
Seit 2014 wird im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) in Genf über ein international verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten – auch UN Treaty genannt – verhandelt. Vom 24. bis 28. Oktober 2022 fand die achte Verhandlungsrunde statt. Von den Ländern des globalen Südens bis hin zu den großen Industrienationen waren alle Staaten dabei.
Der weltweite Trend zu einer stärkeren menschenrechtlichen Regulierung von Wirtschaftsaktivitäten und die Relevanz des UN-Prozesses für die Entwicklung gemeinsamer globaler Standards in diesem Bereich ist mittlerweile allen Staaten klar. So waren während der achten Runde auch alle „Big Player“ im Verhandlungssaal – angefangen von den USA, Australien, Großbritannien und Japan, bis hin zu Indien, China, Brasilien und Russland. Weiterhin getragen wird der Prozess von Ländern des globalen Südens, allen voran Ecuador und Südafrika, Mexiko, Namibia, Kenia und Uruguay. Der teilweise vorgebrachte Vorwurf, dem Prozess fehle die „critical mass“, d.h. er hätte zu wenig Zugkraft, da die wichtigen Industrienationen nicht dabei wären, ist damit vom Tisch.
Obwohl die USA den gegenwärtigen Entwurf zu Anfang der Verhandlungsrunde als zu vorschreibend und an einigen Stellen zu weitreichend ablehnten, brachten sie konkrete Änderungsvorschläge am Text in die Verhandlungen ein.
Auch die EU steht kurz davor, in die Verhandlungen einzutreten. Es ist längst nicht mehr die Frage ‚Ob‘, sondern nur noch ‚Wann‘. Bereits in die diesjährige Verhandlungsrunde brachte sich die EU-Vertretung stärker als zuvor ein und stellte mit Blick auf ausgewählte Artikel des Abkommensentwurfs dar, welche Regelungen die kommende EU-Richtlinie zu nachhaltiger Unternehmensführung diesbezüglich vorsehe. Die EU-Kommission will jedoch zunächst abwarten, bis eine gemeinsame Position hinsichtlich der EU-Richtlinie gefunden ist und dann ein Verhandlungsmandat für den UN-Prozess in die Wege leiten. Dies sollte möglichst bald erfolgen, sodass sich die EU bei den kommenden Konsultationen und bei der neunten Verhandlungsrunde im Herbst 2023 aktiv einbringen kann. Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten sowie der deutsche Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, haben sich bereits deutlich für ein solches EU-Verhandlungsmandat ausgesprochen.
EU-Lieferkettengesetz und UN-Treaty komplementär zueinander
Denn das UN-Abkommen wäre komplementär zum EU-Lieferkettengesetz und die beiden Regelungen würden sich gegenseitig stärken. Das haben die vier Wissenschaftler*innen Nadia Bernaz, Markus Krajewski, Kinda Mohamadieh und Virginie Rouas in einer kürzlich veröffentlichten Studie erläutert. So sieht der gegenwärtige Abkommensentwurf mehrere Regelungen vor, die den Zugang zu Recht für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden durch Unternehmen verbessern würden. Es werden Fragen des Internationalen Privatrechts u.a. zum Gerichtsstand und zum anwendbaren Recht in transnationalen Fällen geregelt. Bereiche, die kaum durch die kommenden EU-Richtlinie abgedeckt werden.
Die deutsche Vertretung brachte sich am ersten Verhandlungstag mit Vorschlägen zum Inhalt und Struktur des Abkommens sowie mit Vorschlägen zu den weiteren Verhandlungsmodalitäten ein. Verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten, so wie sie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die kommende EU-Richtlinie vorsehen, gemeinsam mit Regelungen zum Zugang zu Recht für Betroffene sollten Bestandteile des Abkommens sein.
Mehrere Mitgliedsorganisationen des zivilgesellschaftliche Bündnis der Treaty Alliance Deutschland waren vor Ort bei den Verhandlungen in Genf dabei und beteiligten sich mit mündlichen Stellungnahmen und Side Events.
Vorschläge des Vorsitzenden verursachen Verwirrung
Für anfängliche Verwirrung sorgten neue Vorschläge für einzelne Artikel des ecuadorianischen Vorsitzenden der Verhandlungsrunde. Diese waren von ihm nur wenige Wochen vor der achten Verhandlungswoche veröffentlicht worden. Weder war der ecuadorianische Vorsitzende mit der Erstellung eigener neuer Textvorschläge von den Staaten beauftragt worden, noch basierte der Vorschlag auf den Verhandlungen und Kommentaren der Staaten aus den vergangenen Jahren. Zwar wirken die Vorschläge des Vorsitzenden besser strukturiert, jedoch sind eine Reihe wesentlicher Aspekte herausgefallen, die für einen wirksamen Menschenrechts- und Umweltschutz in der globalisierten Wirtschaft wesentlich sind. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Verhandlungen ausschließlich auf Grundlage des dritten überarbeiteten Abkommensentwurfs („Third Revised Draft“) geführt werden sollten. Der im August 2021 veröffentlichte dritte überarbeitete Abkommensentwurf basierte auf den vorherigen Verhandlungsrunden und war auch während der siebten Runde 2021 von den Staaten kommentiert worden.
Mit Blick auf den Inhalt des zukünftigen Abkommens wurde während der achten Verhandlungsrunde keine Fortschritte erzielt. Die meisten Staaten bekräftigten ihre bereits während der siebten Verhandlungsrunde vorgebrachten Positionen. An manchen Stellen fügten Sie neue Änderungswünsche hinzu.
Die sich nun formierte Untergruppe, die “Friends of the Chair“, bestehend aus Aserbaidschan, Frankreich, Indonesien, Kamerun, Portugal und Uruguay, wird gemeinsam mit dem ecuadorianischen Vorsitzenden an Kompromissvorschlägen weiterarbeiten und bis zur nächsten Verhandlungsrunde im Herbst 2023 Konsultationen mit den verschiedenen Akteuren durchführen. Der ecuadorianische Vorsitzende wird dann den Abkommensentwurf um die Kommentare der Staaten und die Ergebnisse der Verhandlungen der Unterarbeitsgruppe bis Ende Juli 2023 aktualisieren und veröffentlichen.
Karolin Seitz, Leiterin des Programms Wirtschaft und Menschenrechte beim Global Policy Forum und Koordinatorin der Treaty Alliance Deutschland