Last Exit Doha - Die Fünfte UN-Konferenz zu den am wenigsten entwickelten Ländern ist eine Chance, die nicht vertan werden darf.

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Von Bodo Ellmers

In der ersten Märzwoche versammelt sich die Weltgemeinschaft zur 5. UN-Konferenz zu den Least Developed Countries (LDC5) in Doha. Die Konferenz findet im Kontext der globalen Polykrisen statt, die die LDCs weitaus schwerer getroffen haben als reichere und resilientere Länder. Sie trifft zeitlich mit der SDG-Halbzeit zusammen, und per Definition ist keine Ländergruppe so weit von der SDG-Erreichung entfernt wie die LDCs. Die Konferenz bietet eine bedeutende Chance, mehr und effektivere Unterstützung für die LDCs zu mobilisieren. Die Weltgemeinschaft muss sie nutzen.     

Die UN hat die Länderkategorie LDCs einst eingeführt, um Länder zu identifizieren, die nicht nur zu den Ärmsten der Welt gehören, sondern auch zu den Verletzlichsten. Im Zeitalter der Polykrisen wirkt sich die Verletzlichkeit der LDCs deutlich aus. Die Klimakrise trifft die größtenteils agrarisch geprägten Länder stark, ein Großteil der Bevölkerung lebt in Risikozonen. Die Coronakrise hat die LDCs schwer mitgenommen. Bei der Impfstoffversorgung mussten sie sich ganz hinten anstellen, während reichere Länder Dosen horteten und millionenfach wegschmissen. Alleine im ersten Jahr der Coronakrise haben Regierungen reicher Länder pro Einwohner den 580-fachen Betrag für soziale Sicherheit und Wirtschaftssubventionen ausgeben können als LDCs. Der jüngste Schock für die LDCs war der Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise, die die Importländer unter ihnen in harten Dollars bezahlen müssen, die sie nicht haben.

Gerade Entwicklungsfinanzierung ist eine zentrale Herausforderung für LDCs, wie Global Policy Forum in einer umfassenden Studie zur LDC-5 Konferenz analysiert hat. Auf den internationalen Finanzmärkten werden sie massiv benachteiligt. Bereits vor der jüngsten Zinswende mussten sie massive Zinsaufschläge zahlen, wie auch der UN-Generalsekretär jüngst in seinem Papier zum SDG Stimulus Package betonte. Wo Länder des globalen Nordens im Schnitt ein Prozent Zinsen auf Staatsanleihen zahlen müssen, waren es bei LDCs zwischen 5 Prozent und 8 Prozent. Überschuldung ist bei solchen Hochzinsen vorprogrammiert, und tatsächlich droht den LDCs eine systemische Schuldenkrise.

LDCs, die keinen Zugang zu Kapitalmärkten haben, sind auf öffentliche Mittel von Gebern (ODA) und Entwicklungsbanken angewiesen. Doch derzeit erreichen nur 5 der 24 Geberländer aus dem OECD-DAC die international vereinbarten Ziele für die LDCs. Als der IWF mitten in der Coronakrise Sonderziehungsrechte im Wert von 650 Milliarden US-Dollar an seine Mitgliedsstaaten ausgeschüttet hat, bekam das reiche Deutschland davon einen größeren Anteil ab als alle 46 LDCs zusammen. Finanzierung durch Steuereinnahmen ist für LDCs auch keine Möglichkeit, unter anderem weil die OECD-Länder das internationale Steuerrecht so gestaltet haben, dass transnationale Unternehmen dort kaum Steuern zahlen müssen.

Ein zentrales Problem ist dann auch die Benachteiligung der LDCs in den Institutionen der internationalen Finanzarchitektur. Während die LDCs in der UN-Generalversammlung 23,8 Prozent der Stimmrechte haben, sind es im IWF nur 3,5 Prozent. Bei der OECD, die das internationale Steuerrecht setzt, ist kein einziges LDC Mitglied, genauso wie in den globalen Institutionen der Finanzmarktregulierung. Letzteres hat dazu geführt, dass Geldwäschebestimmungen ohne Rücksicht auf Bedürfnisse der LDCs gesetzt wurden, was Rücküberweisungen von Arbeitsmigrant*innen schwieriger und teurer macht. LDCs sind derzeit keine „rule-makers“, sondern „rule-takers“, und die Regeln der reichen Länder zementieren ihre Unterentwicklung.

Die LDC-Konferenzen der UN haben den Anspruch, das zu ändern. Ein Hauptziel ist, die Bedürfnisse der LDCs in den Vordergrund zu stellen, und geeignete Unterstützungsleistungen der internationalen Gemeinschaft (International Support Measures, ISMs) zu entwickeln. Vergangene Konferenzen haben zum Beispiel zu den speziellen ODA-Zielen für LDCs, zu Handelspräferenzen, zu LDC-spezifischen Klima- und Entwicklungsfonds, und zu neuen Institutionen wie der UN Technology Bank geführt.

Die Verhandlungen zu LDC5 fanden mitten in der Coronapandemie statt. Die Konferenz musste zweimal verschoben werden, da die Reisebeschränkungen für Menschen aus Ländern, denen Impfstoffe vorenthalten wurden, eine physische LDC-Konferenz lange Zeit unmöglich machten. 

Die LDCs selbst hatten in ihrer Ministererklärung von 2020 klargemacht, was die Voraussetzungen sind, damit sie die Polykrisen bewältigen und Entwicklungsprozesse anstoßen. Dazu gehört die umfassende Streichung von Schulden, inklusive bei multilateralen und privaten Gläubigern, eine Heraufsetzung der ODA-Ziele und der SZR-Allokationen für LDCs, aber auch Technologietransfer und freie Lizenzen für Impfstoffe und nicht zuletzt eine grundlegende Reform der internationalen Finanzarchitektur, die den LDCs mehr Mitsprache einräumt.

Das Doha Programme of Action, das bereits in 2022 offizielle Abschlussdokument der Konferenz, gibt davon so gut wie nichts wieder. Seine 309 Paragraphen sprechen viele der zentralen Probleme an, enthalten dazu aber wenig Verbindliches, wenig Operationalisiertes und Quantifiziertes. Jetzt, da die Pandemie vorüber ist, bietet die eigentliche LDC5-Konferenz die Chance, dem mageren Gerippe des Doha Programme of Action das nötige Muskelfleisch zu verschaffen. Gerade Deutschland sollte LDC5 nutzen, um den Partnern im globalen Süden zu beweisen, dass man das Leave No One Behind ernst nimmt, und zu ehrlicher und fairer Partnerschaft bereit ist.