Durchbruch in New York: UN-Ausschuss ebnet den Weg für die neue UN-Steuerkonvention

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Von Bodo Ellmers

Steuerhinterziehung und schädlicher Steuerwettbewerb zählen zu den größten Herausforderungen für die Mobilisierung ausreichender Mittel für Entwicklung und öffentliche Dienstleistungen. Die wegweisende Vereinbarung, die am 16. August 2024 in New York erzielt wurde, könnte der internationalen Gemeinschaft endlich ein wirksames Instrument zur Bewältigung dieser Probleme an die Hand geben. Nach drei Wochen intensiver Verhandlungen einigte sich ein Ad-hoc-Ausschuss der UN-Generalversammlung auf die Terms of Reference (ToR) für die neue UN-Rahmenkonvention zur internationalen Steuerkooperation. Die ToR skizzieren sowohl den Weg als auch den Umfang des neuen Übereinkommens. 

Das "Ad Hoc Committee to Draft Terms of Reference for a United Nations Framework Convention on International Tax Cooperation" der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) wurde in Erfüllung des Mandats der UNGA-Resolution 78/230  eingesetzt. Diese hatte "die wichtige Rolle der Besteuerung bei der Schließung der Finanzierungslücke für nachhaltige Entwicklung anerkannt" und "betont, dass ein zwischenstaatlicher Prozess der Vereinten Nationen für die Gestaltung von Steuernormen und die Festlegung von Regeln ... Lücken und Schwächen in den derzeitigen internationalen Bemühungen und Vereinbarungen zur Steuerzusammenarbeit beseitigen würde". 

Nach Angaben des FACTI-Panels, einer von den Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe, entgehen den öffentlichen Haushalten alleine durch grenzüberschreitende Steueroptimierungsstrategien transnationaler Konzerne jährlich Steuereinnahmen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar. 

Ein Meilenstein der internationalen Steuerkooperation 

Die neue UN-Steuerkonvention soll nichts Geringeres tun, als die klaffende Lücke in der internationalen Finanzarchitektur zu schließen, die durch das Fehlen wirksamer Institutionen für die internationale Steuerzusammenarbeit entstanden ist. Laut Aufgabenstellung soll die Konvention "ein Governance-System für die internationale Steuerzusammenarbeit schaffen, das in der Lage ist, auf bestehende und künftige steuerliche und steuerbezogene Herausforderungen kontinuierlich zu reagieren." Es wird erwartet, dass das neue Übereinkommen von einem ständigen globalen Steuergremium geleitet wird, höchstwahrscheinlich in Form einer Konferenz der Vertragsparteien (COP) des Übereinkommens.  

Der vielleicht bedeutendes Bereich der ToR ist das Kapitel zu den "Protokollen", in dem der Geltungsbereich des neuen Übereinkommens festgelegt wird. Insgesamt werden in der Aufgabenstellung 9 Protokolle bzw. thematische Gruppen aufglistet:

1. Die Besteuerung der Digitalwirtschaft;

2. Maßnahmen gegen illegitime Finanzströme;

3. Vermeidung und Beilegung von Steuerstreitigkeiten;

4. Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung durch vermögende Privatpersonen und Gewährleistung ihrer effektiven Besteuerung;

5. Steuerliche Zusammenarbeit bei ökologischen Herausforderungen;

6. Den Austausch von Informationen für steuerliche Zwecke;

7. Gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen; und

8. Schädliche Steuerpraktiken. 

Nummer 9, die "Besteuerung von Einkünften aus der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen in einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Wirtschaft", soll vorrangig als frühes Protokoll behandelt werden, das parallel zur eigentlichen Rahmenkonvention verhandelt wird. Anfang 2025 wollen die Regierungen außerdem eines der ersten vier Themen als weiteres frühes Protokoll auswählen, das innerhalb desselben Zeitrahmens fertiggestellt werden soll. Die übrigen Themen werden von dem neuen globalen Gremium der globalen Tax Governance - der COP - verhandelt, das im Rahmen des Übereinkommens eingerichtet wird.

Das Einnahmepotenzial verbesserter Steuerkooperation ist enorm. Ein von Global Policy Forum Europe und Partnern im Vorfeld der Sitzung des UNGA-Ausschusses veröffentlichtes Briefing-Paper unterstreicht, dass alleine eine Reform des Unternehmenssteuersystems jährlich 500 Milliarden US-Dollar einbringen könnte. Eine Vermögenssteuer für reiche Privatpersonen könnte weitere 200 Milliarden US-Dollar jährlich für die Staatshaushalte mobilisieren. Ein System fairer und wirksamer Umweltsteuern würde nicht nur zusätzliche Einnahmen bringen, sondern auch erhebliche Lenkungseffekte für die nachhaltige Entwicklung haben.

Politische Herausforderungen bleiben bestehen

Eine politische Herausforderung besteht darin, dass acht Länder gegen die ToR gestimmt haben, darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Japan und Südkorea – also einige der Länder, in denen sich ein erheblicher Teil der Hauptquartiere der großen Konzerne befindet. Eine gerechtere Aufteilung der Besteuerungsrechte, auch auf die Länder, in denen transnationale Konzerne ihre Gewinne erzielen oder ihre Waren und Dienstleistungen produzieren, soll ein zentrales Ergebnis des neuen UN-Übereinkommens sein. 43 Länder enthielten sich der Stimme, darunter die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aber auch eine Reihe von G77-Mitgliedern wie Argentinien, Liberia, Singapur, Trinidad und Tobago und die Vereinigten Arabischen Emirate. Es ist jedoch ein positives Zeichen, dass sich alle UN-Mitgliedstaaten konstruktiv an der Arbeit des Ad-hoc-Ausschusses beteiligt haben und dass die EU von ihrem Nein zur Resolution 78/230 zu einer Enthaltung bei der Abstimmung zu den ToR übergegangen ist. 

Neben der/dem Vorsitzenden wird der Prozess 18 Ko-Vorsitzende haben, eine ungewöhnlich hohe Zahl für einen UN-Prozess. Es scheint, dass eine große Anzahl von Ländern den Prozess fest im Griff haben will.  Ob dies ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein oder von Misstrauen ist, bleibt abzuwarten. Der in den ToR skizzierte Prozess sieht drei Verhandlungssitzungen in jedem der nächsten drei Jahre vor. Damit sollte die neue UN-Steuerkonvention bis Ende 2027 zur Annahme und Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten bereit sein.