Schattenfinanzzentrum Deutschland

Cover
Cover
Deutschlands Rolle bei globaler Geldwäsche, Kapitalflucht und Steuervermeidung

Illegale Finanzströme sind ein globales Problem. Sie werden auf mindestens 1-1,6 Billionen US-Dollar jährlich geschätzt. Hinter diesen Finanzströmen stecken sehr verschiedene Aktivitäten: organisierte, oft grenzüberschreitende Kriminalität und Terrorismus; korrupte Regierungen, Eliten und Unternehmen, die ihr Geld ins Ausland schaffen; Steuerhinterziehung von Privatpersonen; Unternehmen, die Steuern hinterziehen, häufig aber auch legal vermeiden.

Ein bedeutender Teil der illegalen Kapitalflucht er- eignet sich in Ländern des globalen Südens. Das Washingtoner Institut Global Financial Integrity (GFI) schätzt sie für sog. Entwicklungsländer insgesamt auf 859 Milliarden US-Dollar (2010). Für 33 afrikanische Staaten beziffern die Ökonomen Léonce Ndikumana und James Boyse die Fluchtgelder auf mindestens 944 Milliarden US-Dollar zwischen 1970 und 2008. Gleichzeitig hatten dieselben Staaten im Jahr 2008 Auslandsschulden von 177 Milliarden US- Dollar, unter anderem bei Deutschland.

Diese illegalen Kapitalabflüsse destabilisieren ganze Volkswirtschaften und untergraben nötige Steuereinnahmen für den Aufbau funktionierender Staatlichkeit, die Verwirklichung der bürgerlich-politischen sowie der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte sowie Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz. Den Schaden tragen Menschen überall: als Opfer von Kriminalität, über kaputte Rechtsstrukturen, durch Armut und höhere Belastungen für diejenigen, die diese am wenigsten tragen können.

Geld aus illegalen Quellen soll – oft durch das Verschieben über Grenzen hinweg – in aller Regel in legales Vermögen verwandelt, also weißgewaschen werden. Geldwäsche ist dabei nicht nur eine Folge, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für Kriminalität und den Aufbau illegaler Vermögen. Die Ausmaße dieser Praktiken sind dramatisch, auch wenn die genaue Höhe der Schwarzgeldflüsse und -vermögen der Natur der Sache nach unbekannt bleiben muss. Der Leiter der Behörde für Drogen und Korruption der Vereinten Nationen (UNODC) vermutet, Banken hätten nach der Finanzkrise 352 Milliarden US-Dollar aus dem Drogenhandel gewaschen und seien nur dadurch vor dem völligen Kollaps bewahrt worden. Eine Studie der Vereinten Nationen bezifferte den Umfang der globalen Geldwäsche für das Jahr 2009 auf rund 2,7 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung bzw. auf circa 1,6 Billionen US-Dollar.

Der vorliegende Bericht beleuchtet, welche Rolle Deutschland und deutsche Akteure im Netzwerk illegaler oder zumindest illegitimer Finanzströme spielen. Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass auch Deutschland im internationalen Geflecht der Finanzströme als Schattenfinanzzentrum fungiert. Das spiegelt sich unter anderem darin, dass die Bundesrepublik Platz acht im Schattenfinanzindex 2013 des Tax Justice Network belegt. Der vorliegende Report basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen, Medienberichten und eigenen Recherchen und Anfragen an Behörden im In- und Ausland, sowie Gesprächen mit Geldwäscheexperten und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Allen sei für ihre Mithilfe bei der Erstellung dieser Untersuchung herzlich gedankt.

In Kapitel 2 wird zunächst auf Aktivitäten in Deutschland und von deutschen Banken im Ausland in Verbindung mit Geldwäsche, organisierter Kriminalität und Korruption eingegangen. Anschließend werden Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche und deren Unzulänglichkeiten untersucht. Zuletzt wird die Konfiszierung illegaler Vermögen betrachtet. Wie sich zeigt, bestehen im Bereich der Geldwäschebekämpfung in Deutschland große Defizite.

Kapitel 3 widmet sich den Effekten von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Steuerhinterziehung bezieht sich auf illegale Aktivitäten, Steuervermeidung dagegen auf (noch) legale, meist von Unternehmen genutzte Steuersenkungspraktiken. Sie kann aggressiv betrieben zu massiven Einnahmeausfällen für die öffentliche Hand führen. Auch dabei spielen deutsche Unternehmen eine zentrale Rolle – nicht zuletzt als Dienstleister. Schließlich wird untersucht, ob Deutschland ärmeren Ländern über Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) dringend benötigte Steuereinnahmen entzieht. Auch Kapitel 3 zeigt Missstände in Deutschland auf.

In Kapitel 4 werden die Ergebnisse des Berichts zusammengefasst und politische Empfehlungen aus- gesprochen, wie den Problemen von Kapitalflucht, Geldwäsche und Steuervermeidung auf nationaler und internationaler Ebene begegnet werden kann. Wenn die neue Bundesregierung keine mutigen und zukunftsfähigen Entscheidungen ergreift, wird Deutschland als Schattenfinanzzentrum in Zukunft noch mehr illegale und illegitime Finanzströme anziehen.

Autorinnen und Autoren: Markus Henn, Sarah Mewes, Markus Meinzer

Herausgegeben von Global Policy Forum, MISEREOR, Tax Justice Network und WEED

Aachen/ Berlin/ Bonn/ Chesham, November 2013

ISBN 978-3-943126-11-2