Die COVID-19-Pandemie hat uns die enge Verbindung zwischen Mensch, Tier und Umwelt deutlich vor Augen geführt, bestehende Herausforderungen in der globalen Gesundheit besonders sichtbar werden lassen und verschärft. Die Zerstörung von Naturräumen und Verdrängung von Arten, der Wildtierhandel, ressourcenintensive Lebensweisen und -verhältnisse, nicht-nachhaltige Ernährungssysteme und insbesondere die industrielle Landwirtschaft und Massentierhaltung sind Ursachen für die Entstehung von Zoonosen, aber auch von zahlreichen anderen, übertragbaren und nicht-übertragbaren, chronischen Krankheiten.
Der One Health Ansatz nimmt genau dieses Zusammenspiel der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt in den Blick. Der Ansatz betont den Mehrwert einer trans-, multi- und interdisziplinären Zusammenarbeit zu den genannten Themenbereichen. Ein multi-dimensionaler One Health Ansatz hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird nun von verschiedenen Akteuren als Ansatz zur Prävention und Reaktion auf zukünftige Pandemien gesehen. Frankreich und Deutschland haben einen hochrangigen Expert*innenrat zu One Health in die Wege geleitet. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat One Health als neues Initiativthema verkündet und eine entsprechende Strategie dazu erarbeitet. Und auch die neue globale Gesundheitsstrategie der Bundesregierung macht One Health zu einem Schwerpunktthema.
Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Thema Globale Gesundheit deutlich an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewonnen, der Diskurs um die Überwindung der COVID-19-Krise wird allerdings oft auf Pandemieprävention und -bekämpfung eingeengt. Die politischen Initiativen beschränken sich weitgehend auf das Krisenmanagement. Das ist auch der Fall bei der BMZ-Strategie One Health in der Entwicklungszusammenarbeit und bei der Strategie der Bundesregierung zur Globalen Gesundheit. Statt Gesundheit holistisch aufzufassen und sich auf die Erfüllung des Menschenrechts auf Gesundheit zu konzentrieren, wird zunehmend die Vermeidung zukünftiger Pandemien in den Fokus gerückt und die Symptome statt der Ursachen behandelt. Ein ganzheitlicher ausgerichteter Ansatz liegt den Globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) zugrunde, wird aber durch die Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt.
Die Verengung der globalen Gesundheit auf einzelne Aspekte und Ansätze war auch vor der Corona-Pandemie deutlich sichtbar und wird insbesondere verstärkt durch die Interessen einiger Akteure der globalen Gesundheit, darunter aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie. So sind es oft begrenzte und kurzfristige, meist technische Lösungsansätze, die im Sinne einer Versicherheitlichung (Betrachtung von Gesundheitsthemen unter außen- und sicherheitspolitischer Sicht), der Vertikalisierung (Fokussierung auf die Bekämpfung eines spezifischen Gesundheitsproblems, meist einer Krankheit) oder der Medikalisierung (Betrachtung von Gesundheitsproblemen als rein medizinisches Problem) von Gesundheit vorangetrieben werden – für die gegenwärtige Krise und auch für andere globale Gesundheitsherausforderungen.
Eine holistische Umsetzung des One Health Ansatzes muss über Maßnahmen der vorwiegend medizinisch-technischen Verhinderung von Übertragung und Eindämmung von Zoonosen und Antibiotikaresistenzen hinausgehen und insbesondere die strukturellen Ursachen globaler Gesundheitsprobleme in den Blick nehmen und Lösungsstrategien entwickeln. Dafür müssen vor allem nachhaltigkeits- und gerechtigkeitsbasierte Ansätze – wie zum Beispiel an der Schnittstelle Landwirtschaft die Agrarökologie – unterstützt werden, die negative Folgewirkungen auf Umwelt, Klima und die Gesundheit von Mensch und Tier vorbeugen und diese vermeiden. Öffentliche Dienstleistungen für die Gesundung und Gesunderhaltung von Menschen, Tieren und Umwelt müssen gestärkt werden und schließlich muss politisch kohärent und rechenschaftspflichtig gegenüber der Bevölkerung gehandelt werden.
Von Karolin Seitz
Herausgeber: MISEREOR, Brot für die Welt & Global Policy Forum Europe
Bonn, Mai 2021