Steuerpolitisches Capacity Building für den Globalen Norden?

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Drei Take-aways von der dritten Verhandlungsrunde der UN-Steuerkonvention in Nairobi
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Nairobi city
Nairobi city

Es war eine Premiere in der Geschichte des Multilateralismus: Mit der dritten Verhandlungsrunde über eine UN-Steuerkonvention fanden zum ersten Mal globale Steuerverhandlungen auf dem afrikanischen Kontinent statt und das anders als bei der OECD nicht hinter verschlossenen Türen. Zahlreiche Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher und gewerkschaftlicher Organisationen waren nach Nairobi gereist, um die Verhandlungen kritisch zu begleiten. Wie die Gruppe afrikanischer Staaten fordern sie seit vielen Jahren einen Paradigmenwechsel in der Besteuerung multinationaler Konzerne weg vom dysfunktionalen Verrechnungspreissystem hin zu einer gerechteren formelbasierten Verteilung von Besteuerungsrechten über eine Gesamtkonzernsteuer. 

  1. Der Globale Süden sitzt im Driver‘s Seat 

Denn statt diese Frage wie in der Vergangenheit mit Doppelbesteuerungsabkommen und im Rahmen des Verrechnungspreissystem zu lösen, böte die Konvention ein Gelegenheitsfenster neue Wege jenseits ausgetretener Pfade zu beschreiten und die Verteilung von Besteuerungsrechten nach Kriterien wie Umsatz und Beschäftigung formelbasiert gerechter zu verteilen. Im Namen der Gruppe afrikanischer Staaten hatte Kenia für Artikel 4, der sich mit der Verteilung von Besteuerungsrechten zwischen Sitz- und Quellenländern befasst, ein schlüssiges Formulierungsangebot parat: „The State Parties agree that each jurisdiction where value is created, markets are located, or revenues are generated has the right to tax the income related to or derived from it.“ Insgesamt waren Delegierte der Afrika-Gruppe mit einer klaren Agenda am Start. Sie forderten eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung (pCbCR) und wiesen auf das Verrechnungspreissystem als Hauptquelle von Steuerstreitigkeiten hin. Zusammen mit anderen Vertreter:innen des Globalen Südens zeigten sie Geschlossenheit in der Ablehnung von verpflichtenden Schiedsgerichtsverfahren. 

  1. Es braucht politische Entscheidungen

Abgesehen davon war bei den Verhandlungen in Nairobi eine gewisse politische Orientierungslosigkeit zu verzeichnen. Die Diskussion über den Konventionstext selbst blieben seltsam verzagt und auch bei den beiden Zusatzprotokollen verloren sich die Delegierten eher im technischen Kleinklein, als Grundsätzliches in den Blick zu nehmen. Das war wenig überraschend, denn die Delegierten stammten größtenteils aus Fachabteilungen von Ministerien und Steuerbehörden. Politische Vertreter:innen waren kaum anwesend. 

Delegierte des Globalen Nordens wärmten längst ausgeräumte Souveränitätsbedenken auf, fremdelten mit der Idee nachhaltiger Entwicklung und schienen wenig sattelfest im Umgang mit der gängigen UN-Definition von Illicit Financial Flows des Mbeki Panels, die steuerbezogene Finanzflüsse explizit einbezieht. Die anwesenden Vertreter:innen der internationalen Zivilgesellschaft nahmen die Unbeholfenheit auf’s Korn und boten der Europäischen Union im FfD Chronicle, das begleitend zu den Verhandlungen erschien, kurzerhand Nachhilfe in diesen Fragen an.

  1. Gefahr der „Protocolisation“ 

Angesichts der schwierigen geopolitischen Rahmenbedingungen, scheint es verlockend, mit der Konvention selbst einen konsensfähigen Minimaltext zu verabschieden und alles darüber Hinausgehende in optionalen Zusatzprotokollen zu regeln. Die internationale Zivilgesellschaft warnt allerdings vor einer solchen „Protocolisation“, denn sie wäre das Gegenteil von dem Paradigmenwechsel, der seit Jahren gefordert wird und eine vergebene Chance. 

Schon jetzt zeigte sich, dass die Konvention ohne klare politische Leitplanken droht, hinter ihrem transformativen Potenzial zurückzubleiben. Immer wieder wurde von der internationalen Zivilgesellschaft angemahnt, dass die gerechte Verteilung von Besteuerungsrechten und die Besteuerung von Superreichen (HNWI) im Konventionstext selbst verankert werden müssen. 

Bis zum 5. Dezember können Regierungen und andere Stakeholder noch schriftliche Eingaben im Nachgang der Nairobi-Verhandlungen machen. Die in der Global Alliance for Tax Justice (GATJ) organisierte Zivilgesellschaft hat einen umfassenden Vorschlag erarbeitet, wie eine starke Konvention aussehen kann. 

Link zur zivilgesellschaftlichen „Schattenkonvention.“